Die Zauberflöte
für Leute mit gesundem Menschenverstand.
Die Handlung der Oper ist so konfus, dass wir hier einmal Klarheit schaffen wollen. Also: Tamino und Pamina. Müssen erst zu sich und dann zueinander finden. Tamino ist ein Held, wie er im Buche steht: jugendlich, hübsch und nicht lebensfähig. Zusammen mit Papageno, der alle Sympathien an sich reißt, ziehen beide als Dick und Doof durch die Oper.
Während der beim Anblick von Würmern in Ohnmacht fallende Tamino Prinzessinen retten will, zieht Papageno es vor, an seine eigene Rettung zu denken. So wie im Leben ein Mensch zwischen Mut und Angst hin und her schwankt, so schwanken auf der Bühne zwei Menschen hin und her. Der uralte dramaturgische Trick, innere Konflikte im Außen auszutragen, durchzieht diese „Zauberflöte“. Schauen Sie, wie Papageno und Monostatos voreinander erschrecken! Ihr Erschrecken ist ein Erkennen: Auch Monostatos ist nur monströse Hälfte, die von Sarastro nämlich. Monostatos ist schwarz, Sarastro nennt sich weise.
Sarastro verzichtet auf Paminas Liebe, Monostatos will Pamina vergewaltigen. Sarastro nimmt sich Zeit beim Singen, so viel, dass sein schwarzes Ich nur heimlich und im Presto hecheln darf. Doch Sarastro singt nicht nur langsam, sondern tief. Während seine ehemals bessere Hälfte, die Königin der Nacht, mit ihren hohen Koloraturen das Glas endgültig zerschlägt. Die Königin der Nacht – nehmen Sie ihre angebliche Witwenschaft nicht allzu ernst. Achten Sie stattdessen, wie sehr Taminos erster Auftritt dem von Pamina gleicht: Der eine flieht vor der Schlange, die andere vor Monostatos, der auch eine falsche Schlange ist und deshalb am menschlichsten wirkt.
Menschlich sind sie alle
Tamino wird zum Mann gemacht, einem, der Gefühle leugnet und seine Frau anschweigt. In dieser bricht ihre Mutter durch. Sie wird hysterisch und nur ihre drei Jungs verhindern, dass sie sich umbringt. Selbiges versucht Papageno ebenfalls. Alles geschieht hier zweimal, als Drama und als Farce. Haben Sie gemerkt, dass selbst die große Schweigeprobe ihr kleines Vorbild hat? Was musste der arme Papageno mit dem Schloss am Munde kämpfen! Dann, in der Feuer- und Wasserprobe, geschieht das Wunder. Die Musik klingt weder nach Feuer noch nach Wasser, dafür erklingt sie zweimal. Die exakte musikalische Wiederholung bei extremsten szenischen Gegensätzen.
Die Einheit von Mann und Frau als Utopie, als vollkommene Symmetrie in einer irrealen Traumwelt. Wobei: Feuer zu Wasser, ergibt das nicht Asche und Rauch? Nun, vielleicht schimmert ja ein Diamant unter der Asche hindurch. Denn es gibt eine Hochzeit zu feiern. Selbst jetzt drängt sich Sarastro in den Vordergrund, während seine Ex, die man eigentlich ausladen wollte, ein paar Tränen hinter ihrer Sonnenbrille verbirgt.